Thomas Müller, Dr. iur., Rechtsberatung
Eigenbedarf: Müssen wir die vorzeitige Kündigung akzeptieren?
Frage: Der Mietvertrag für unsere Wohnung ist erstmals per Ende September 2026 kündbar. Im letzten November wurde die Liegenschaft aber verkauft, und der neue Eigentümer möchte selber in die Wohnung einziehen. Er macht dringenden Eigenbedarf geltend und hat uns Mitte Dezember auf Ende März 2025 gekündigt. Für uns war das ein Schock, denn wir hatten uns darauf eingestellt, mindestens bis Herbst 2026 in der Wohnung bleiben zu können. Genau zu diesem Zweck hatten wir ja einen Vertrag mit einer Mindestlaufzeit abgeschlossen. Darf sich der neue Hauseigentümer einfach darüber hinwegsetzen?
Antwort: Es kommt darauf an, was im Liegenschaftskaufvertrag steht. In aller Regel werden darin die bestehenden Mietverhältnisse explizit der Erwerberin oder dem Erwerber überbunden. Eine vorzeitige Kündigung wegen dringenden Eigenbedarfs ist dann ausgeschlossen, eine dennoch ausgesprochene Kündigung ungültig.
Werden die laufenden Mietverhältnisse im Kaufvertrag hingegen nicht ausdrücklich überbunden, gilt die gesetzliche Regelung, wonach der Erwerber bei dringendem Eigenbedarf vorzeitig kündigen darf. Dann schuldet der Verkäufer seinen Mietern allerdings Schadenersatz. Deshalb ist es nur logisch, dass die meisten Verkäufer auf einer Überbindungsklausel im Vertrag bestehen. Auf diese Klausel können sich im Regelfall auch Mieterinnen und Mieter berufen.
Für Sie bedeutet das, dass Sie sich beim Grundbuchamt eine Kopie des Kaufvertrags besorgen sollten. Bleiben Sie beharrlich, falls das Amt die Herausgabe verweigert. Gekündigte Mieter haben ein ausreichendes Interesse daran, mindestens zu erfahren, ob ihr Mietvertrag dem Hauskäufer überbunden wurde.
Weiter sollten Sie abklären, wann der Kauf beim Grundbuchamt angemeldet wurde. Geschah dies erst nach der Kündigung Ihres Mietvertrags, wäre diese ungültig. Der neue Eigentümer könnte die Kündigung jetzt auch nicht mehr nachholen, denn ein dringender Eigenbedarf lässt sich nur auf den erstmöglichen ortsüblichen Termin nach dem Kauf mit einer dreimonatigen Frist geltend machen. In Frauenfeld, wo Sie wohnen, wäre das auf Ende März, doch dafür ist es nun zu spät. Im Zweifelsfall sollten Sie die Kündigung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsstelle für Mietsachen anfechten.
Thomas Müller, Dr. iur.
Niederneunforn TG
Tel. 043 535 00 00