31.10.2024 08:07
Keineswegs ein «Scheissjob»
Die Abwasserverbände stehen vor neuen Herausforderungen - Personal ist dafür schwer zu finden
Aktuell häufen sich Stellenausschreibungen für Klärwärter bei den regionalen Abwasserverbänden (ARA). Personal mit dem entsprechenden eidgenössischen Abschluss ist nicht zu finden. Es dauert drei bis vier Jahre, bis ein neuer Mitarbeiter selbstständig arbeiten kann. Ein Thema beschäftigt nebst den ARA auch das Amt für Umwelt: Der steigende Medikamentenkonsum der Bevölkerung.
Region An was denkt man, wenn man sich die Arbeiten eines Klärwärters in einem Abwasserwerk vorstellt? Genau. Es geht wohl allen gleich. Doch es steckt so viel mehr hinter den höchst anspruchsvollen Aufgaben. Die Personalsuche gestaltet sich schwierig, vor allem bereits ausgebildete Mitarbeiter sind kaum zu finden. Die Arbeit wird durch die immer genauer werdenden Prüfverfahren komplexer, das Fachwissen in den Bereichen Chemie, Biologie breiter. Bei den Abwasserverbänden Mittelthurgau, Region Frauenfeld und Untersee standen in den letzten Monaten Wechseln an. Dies oftmals altersbedingt. Kein ausgebildetes Personal «Bis ein ungelernter Klärwart das Fachwissen hat und die Ausbildung abgeschlossen hat, vergehen vier Jahre», sagt René Pfund, stellvertretender Klärmeister der Region Frauenfeld. Sie sind auf der Suche nach einem passenden Kandidaten - viel Auswahl hatte die ARA Frauenfeld jedoch nicht bei der Personalwahl. Drei Bewerbungen kamen in Frage, alle ohne eidgenössischen Fachausweis als Klärwart. Keine Überraschung für Pfund. Das Berufsbild sei aber höchst interessant und mangels Fachkräften ist ein Job gesichert. Er ist stolz, wenn er von seiner Arbeit erzählt. «Mein Umfeld findet meinen Beruf spannend und hat immer viele Fragen dazu.»
Nur der Geruch stört
In Ermatingen steht ebenfalls ein Wechsel an. Derzeit läuft noch das Bewerbungsverfahren. Aktuell sind sechs Kandidaten noch im Rennen Gemeindepräsident Urs Tobler, auch Präsident des Abwasserverbandes Untersee kommt gar ins Schwärmen wenn er vom Stellenbeschrieb spricht: «Als Klärwart hat man Arbeiten im Inneren und auch ausserhalb der Abwasserreinigungsanlage ARA und kann sich vielfältig je nach technischen Kenntnissen einbringen», erklärt Urs Tobler. «Der ideale Mitarbeiter ist ein technisch versierter Allrounder, der nach der Einarbeitungsphase die Prozesse der Anlage bestens kennt und bei Störungen eingreifen kann um Umweltschäden zu vermeiden», zählt er die Aufgaben auf. Zu den weiteren Aufgaben zählen Laboranalysen sowie die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden und ihren Betrieben. «Sie arbeiten eng mit den kantonalen Fachstellen, wie dem Amt für Umwelt (AfU) zusammen. Ein möglicher Nachteil könnte der Geruch sein, aber man gewöhne sich daran. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich umzuziehen, und es stehen je Mitarbeiter zwei Garderobenschränke und Duschen zur Verfügung. Sogar eine Waschmaschine für die Berufskleidung ist auf der Anlage vorhanden, damit die Schmutzwäsche vor Ort bleiben kann». Wer eine abwechslungsreiche Tätigkeit mit technischen Herausforderungen und der Chance zur Mitgestaltung von Umweltprozessen sucht, wird in diesem Job genau das Richtige finden.
Auch der Abwasserverband Mittelthurgau sucht nach einem neuen Klärwärter. Sie sind ebenfalls im Endspurt bei der Personalrekrutierung. Eine Person mit dem entsprechenden Abschluss konnten auch sie nicht finden, doch für einen Nachfolger ist immerhin gesorgt. Die Ausbildung eines Klärwartes ist nie abgeschlossen, so kommen stets neue Prüfmethoden dazu. «Unsere Herausforderungen der nächsten Jahre liegen in der verschärften Stickstoffelimination und der wachsenden Bevölkerung im Einzugsgebiet sowie die stetige Optimierung der Anlage und des Verbandnetzes.» Medikamente mit Auswirkungen Ein Thema bei den ARA beschäftigt das Amt für Umwelt (AfU) sowie das Amt für Jagd und Fischerei. Kurt Schmid ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei letzterem. Speziell die Antibabypille zeigt Auswirkungen: «Es gibt verschiedene Studien zu deren Auswirkung auf Fische und andere Wasserlebewesen wie Frösche. Es wurden schon Effekte, sowohl bei männlichen als auch weiblichen Fischen nachgewiesen. Unter anderem bekannt sind eben negative Veränderungen der Fortpflanzungsorgane wie die Verweiblichung der männlichen Fische, aber auch Hemmungen der Eiablage bei Weibchen», so Kurt Schmid. Da diese Stoffe schon in sehr kleine Konzentrationen aktiv wirken und oft konstant im Wasser vorhanden sind, können sie ganze Fischpopulationen in einem Gewässer negativ beeinflussen. Für das Amt für Umwelt sind gut ausgebildete Klärwarte höchst wichtig. Wichtigkeit des Berufs Manuel Tille, Leiter der Abteilung Abwasser und Anlagensicherheit des Amt für Umwelt zeigt die Relevanz des Berufbilds auf: «Heutige Abwasserreinigungsanlagen sind zentrale Elemente des Gewässerschutzes. Dies sind komplexe Systeme, die neben viel technischen Know-how auch ein grosses Verständnis für die verfahrenstechnischen und chemisch- biologischen Prozesse voraussetzen », sagt Manuel Tille , Leiter der Abteilung Abwasser und Anlagensicherheit des Amt für Umwelt. Substanzen wie Medikamente oder Pestizide konnten früher nicht im Abwasser festgestellt werden. Neue Technologien ermöglichen mittlerweile den Nachweis. «Am 1. Januar 2016 trat das neue Gewässerschutzgesetz in Kraft. Es hat zur Folge, dass gewisse ARA eine zusätzliche Reinigungsstufe gegen Spurenstoffe einbauen müssen.» Betroffen seien schweizweit rund 100 ARA. Im Kanton Thurgau ist basierend auf dieser Gesetzanpassung aktuell der Ausbau an fünf Anlagen vorgesehen beziehungsweise teilweise schon umgesetzt. «In Umsetzung befindet sich der derzeit das Projekt auf der ARA Frauenfeld. Die Ausbauten auf den ARA Aadorf und Aachtal sind bereits erfolgt. Mit der aktuell laufenden Motion wird diese Anzahl voraussichtlich nochmals zunehmen», so Manuel Tille.
Von Desirée Müller