Thomas Müller, Dr. iur., Rechtsberatung
Müssen die anderen Eigentümer der Balkonverglasung zustimmen?
Frage: Seit vielen Jahren bin ich Stockwerkeigentümer in einem Haus mit 24 Wohnungen. Um im Alter besser vor Wind geschützt zu sein, möchte ich meinen Balkon auf eigene Kosten verglasen lassen. Der Eigentümer über mir, an dessen Balkon die Glasscheiben befestigt würden, ist damit einverstanden. Genügt das, um die Installation anzubringen?
Antwort: Nein, allein das Einverständnis des Nachbarn reicht nicht. Bei der geplanten Verglasung handelt es sich um eine bauliche Massnahme an gemeinschaftlichen Teilen des Hauses. Dafür schreibt das Zivilgesetzbuch unterschiedliche Beschlussmehrheiten vor, je nachdem, ob es sich um eine «notwendige», eine «nützliche» oder eine «luxuriöse» Massnahme handelt.
Von einer notwendigen Massnahme spricht man, wenn sie für den Werterhalt der Liegenschaft unerlässlich ist. Ein Beispiel dafür wäre die Sanierung eines undichten Daches. Nützliche Massnahmen sind demgegenüber nicht unbedingt nötig, erhöhen aber den Wert oder die Gebrauchsfähigkeit. Das kann beispielsweise für eine bessere Fassadenisolation gelten. Luxuriöse Massnahmen schliesslich dienen primär der Verschönerung respektive der Bequemlichkeit, etwa der Einbau eines Schwimmbads.
Während für notwendige Massnahmen ein einfaches Stimmenmehr genügt, braucht es für nützliche Massnahmen die Zustimmung einer Mehrheit der Eigentümer, die zugleich über mehr als die Hälfte aller Wertquoten verfügt (qualifiziertes Mehr). Luxuriöse Massnahmen erfordern Einstimmigkeit. Vorbehalten bleiben anderslautende Bestimmungen im Reglement.
Dass eine Balkonverglasung nicht unbedingt nötig ist, scheint offensichtlich. Ist sie aber nützlich oder luxuriös? Das Bundesgericht hat im Jahr 2015 entschieden, dass bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Teilen, die nur im Interesse eines Einzelnen oder einiger weniger Eigentümer liegen, aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös zu betrachten sind. Für solche Bauvorhaben ist also grundsätzlich die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich.
Ausnahmsweise kann ein luxuriöses Vorhaben aber auch mit dem Mehr der Kopfstimmen und Wertquoten beschlossen werden. Nämlich dann, wenn den ablehnenden Eigentümern keine Nachteile entstehen und die Zustimmenden sämtliche Kosten übernehmen. Da Sie, wie Sie schreiben, die Balkonverglasung selber bezahlen würden, dürfte diese Bedingung erfüllt sein. Sie können also einen Antrag an die Stockwerkeigentümerversammlung richten und auf ein qualifiziertes Mehr hoffen. Zu prüfen wäre dann noch, ob Sie für Ihr Vorhaben eine Baubewilligung benötigen.
Thomas Müller, Dr. iur.
Niederneunforn TG
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